Stark Unterschätzt: Geschichten aus Amalur

Coverpicture Amalur

THQ Nordic scheint drauf und dran zu sein, eine weitere verloren geglaubte Marke mit grandiosen Geschichten von den Toten zurückzuholen. Am 18. August erwartet uns der Release des Remasters von Kingdoms of Amalur: Reckoning.
Zu seiner Zeit, im Jahre 2011, war dem Titel wenig Erfolg vergönnt. Er wurde mehr oder weniger in Konkurrenz zu Skyrim veröffentlicht und konnte mit keiner bekannten IP aufwarten. Lediglich der Name des Mannes, der die Hintergrundgeschichte stellte, war Kennern ein Begriff: R.A Salvatore.
In zahlreichen Artikeln ist die Entstehungsgeschichte des Spiels und die großen Pläne, die die 38 Studios und EA mit der Marke hatten, bereits aufbereitet worden. Darum soll es hier heute um etwas anderes gehen.

Ein unterschätztes Juwel

Mit den ersten Leaks zum Remaster sangen mehrere Autoren Lobeshymnen auf KoA. Besonders hervorgehoben wurde dabei immer wieder das flüssige Kampfsystem und der stimmige Stil, auch wenn dieser nicht jedermanns Sache sein dürfte.
Beide Punkte sind natürlich zutreffend, doch ich schätze das Rollenspiel noch aus einem anderen Grund, der oft negiert wird, oder sogar aktiv als Negativpunkt angeführt wird: Der Story.

Damit meine ich nicht unbedingt die Hauptgeschichte. Die Handlung um den wiederauferstandenen, schicksalslosen Helden in einer Welt, in der alles vorherbestimmt ist, birgt zwar einige interessante Motive, aber bleibt den Lauf des Spiels über doch enttäuschend flach.

Die wahren Perlen liegen, ähnlich wie bei der Konkurrenz von Bethesda, abseits des Weges.

Besonders hervorzuheben sind dabei die Aufgaben der fünf verschiedenen Fraktionen. Grade die beiden Häuser der Feien, unsterblicher Wesen in einem Zyklus der Wiedergeburt haben es mir angetan.
Das Motiv von Vergänglichkeit ohne Tod ist spätestens seit Tolkiens Elben ein alter Hut, aber die Autoren des Spiels mischen die Geschichten durch einige neue Ideen wirklich auf.


Lieder, die Geschichte schreiben

Kurz nach Spielbeginn, zumindest gemessen an der Länge des Epos, trifft der Spieler auf das “Haus der Balladen”.
Auf den ersten Blick wirkt alles wie immer. Baumkuschler, die in Grünzeug leben, und über die gemeinen Sterblichen höchstens nur die Nase rümpfen.

Doch das Haus der Balladen enthüllt Schicht um Schicht einer komplexen Organisation, bei deren Wirken man mehr als einmal um die Ecke denken muss.

Grundsätzlich sind die Feien des Hauses Barden, welche die Geschichte am Leben erhalten. Doch das tuen sie nicht einfach nur, indem sie von Ort zu Ort wandern und “singen”. Auch wenn Lieder und Musik eine große Rolle im Haus spielen, so ist der Kern des ganzen, dass die Mitglieder die Geschehnisse vergangener Zeiten erneut erleben.

Die Ereignisse spielen sich dabei über Zyklen immer gleich ab, doch nicht zwangsläufig immer mit der gleichen Besetzung.
So ist es dem Helden möglich, in die Rolle vergangener Heroen zu springen und die Geschichten neu zu beleben.

Das kaum ein Mitglied des Hofes dabei geistig gesund zu bleiben scheint, versteht sich wohl von selbst.

Falsche Götter

Amalurs Äquivalent zur Diebesgilde setzt sich aus mehreren, versteckten Camps, mit eigenen Leitern und Mitgliedern zusammen. “Die Reisenden” sind Freigeister, die stehlen, was sie wollen und sich nur schwerlich an geltende Gesetzte halten. Eigen ist allen Mitgliedern, dass sie auf den Ruf und die Befehle einer merkwürdigen Gottheit hören.
Der “Hierophant” leitet die Reisenden an, darunter auch den Spieler. Doch aus den gemütlichen Raubzügen wird bald schon ein Katz und Maus Spiel.
Nicht nur das Gesetz, auch die eigenen Reihen werden zunehmend gefährlich.

Wenn auch nicht so fantastisch erzählt wie die Quest-Reihe des Hauses der Balladen , so bringt sie doch einige interessante, wenn auch etwas vorhersehbare Wendungen mit sich, für die sich ihr Abschluss durchaus lohnt.

Kummer und Sorgen

Die dritte, äußerst interessante Fraktion, gehört wieder den Feien an. “Das Haus der Sorgen” sammelt negative Stimmungen vergehender Feien, und trägt so zum Erhalt ihres Reiches bei.
Das Grundkonzept ist auf dem Papier recht metaphysisch und unterscheidet sich in vielerlei Hinsicht von den Vorstellungen, die die Sterblichen vom Tod haben.

Da das Haus der Sorgen in Feindesland liegt, kommen in der Quest-Reihe noch politische Ränkespiele hinzu, und das ganze entwickelt sich recht früh zu einem Rachefeldzug, dem unerwartet düstere Ereignisse vorausgehen.

Große, weite Welt

Natürlich sind auch die Geschichten der beiden verbleibenden Fraktionen aus Amalur absolut spielenswert. Genauso wie jedes der Gebiete neben den obligatorischen Sammel-und Töte-Aufgaben auch einige zusammenhänge Geschichten erzählt, die den großen Fraktionen manchmal in Nichts nachstehen.
So verbringt man relativ früh im Spiel beispielsweise einige Stunden in einem vom Spinnen terrorisierten Wald, und deckt dabei langsam die Hintergründe des kribbeligen Befalls auf.

Viele Quests, wie auch die Haupthandlung, sind mit Sicherheit nicht das Maß aller Dinge was Rollenspiele angeht. Doch in ihrer Anzahl und ihrer Verwobenheit saugen sie tiefer in eine ohnehin schon stimmig gestaltete Welt, über deren Mythologie und Geschichte man als geneigter Spieler bald schon mehr erfahren möchte. Leider geizt das Spiel allerdings mit umfangreichen, spürbaren Konsequenzen der eigenen Entscheidungen.

Salvatore als Hauptverantwortlicher hat dabei also nicht nur in die “Schublade” gegriffen und ein X-beliebiges Setting erschaffen. Für das Projekt eine Welt entwickelt, welche lebt und atmet und bei Erfolg des Remasters den Grundstein für viele weitere Erkundungen der interessanten Konzepte legt.

Sinnbildlich dafür stehen auch die Pläne, welche Studio 38 für das MMO hatte, welches als Sequel auf Reckoning folgen sollte.

Ich kann euch jedenfalls nur raten, nicht nur stürmisch durch das Spiel zu sprinten und alles mit dem Großschwert zu Brei zu schlagen. Nehmt euch die Zeit und lauscht den Figuren und ihren Geschichten.






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